Mittwoch, 29.03.2023

Rest In Pilz

Immer mehr beschäftigen wir uns damit, wie wir möglichst klimafreundlich leben können. Aber wie ist das eigentlich, nachdem wir gestorben sind? Ein neu entwickelter Pilzsarg soll sich selbst und den Leichnam innerhalb von einem Monat nach dem Begräbnis natürlich zersetzen. Auch in Wien will man das nutzen, um auf mehr Nachhaltigkeit nach dem Tod zu setzen. sprint-Redakteurin Merlind Raible hat mit dem Pressesprecher der Bestattung Wien, Dr. Florian Keusch, über dieses Thema gesprochen.

Merlind Raible, sprint-Redakteurin: Herr Dr. Keusch, was genau ist ein Pilzsarg eigentlich?

Florian Keusch, Pressesprecher Bestattung Wien: Im Gegensatz zum normalen Holzsarg wird der Pilzsarg aus Myzel hergestellt. Das heißt, der Sarg wächst, wird dann inaktiviert und sobald er vergraben wird und mit dem Grundwasser in Berührung kommt, reaktiviert sich das Myzel und zersetzt den Verstorbenen. Was das Pilzmyzel eigentlich im Boden macht, dazu gibt es, soweit ich weiß, mit der BoKu (Universität für Bodenkultur) auch ein Projekt auf dem Wiener Zentralfriedhof, um die Bodenqualität zu erheben. Denn das Myzel bereitet den Boden auf. Das passiert beim Holzsarg zum Beispiel nicht.

sprint: Werden diese Särge von Ihnen selbst gezüchtet?

Keusch: Nein. Das Unternehmen Loop in Deutschland züchtet die Särge. Wenn der Andrang so groß wäre, dass es sich rentiert, dann würden sie schon in Österreich gezüchtet werden. Das ist momentan aber noch nicht der Fall.

sprint: Welche Vorteile hat der Pilzsarg für die Bestattungsbranche?

Keusch: Es ist so, dass in den letzten Jahren die Naturbestattungen massiv boomen. Die Naturbestattung hat bis jetzt immer eine Feuerbestattung bedingt. Das heißt, man musste kremieren und konnte dann die Urne beisetzen. Der Pilzsarg ist jetzt erstmals ein Modell, bei dem eine Naturbestattung möglich ohne vorherige Kremierung möglich ist. Das ist eine ganz große Neuerung, denn es gibt Religionsgemeinschaften oder Menschen, die aus persönlichen Gründen eine Kremierung ablehnen, aber trotzdem gerne eine naturnahe Bestattung hätten. Und die haben jetzt die Möglichkeit, mit diesem Pilzsarg.

sprint: Wie haben ihre Kund:innen auf das neue Angebot reagiert?

Keusch: Das Interesse, nachdem wir den Sarg vorgestellt haben, war extrem hoch. Wir haben bis jetzt erst ein paar verkauft, aber das ist normal. Meistens sind solche Entscheidungszyklen, also wofür man sich als Kund:in entscheidet, relativ lang. Die Beratungsgespräche dauern teilweise 2 bis 3 Stunden. Das geht dann von Sargauswahl über Sänger:in, Pat:in, etc. Jeder will es so individuell wie möglich haben. Dieses „Begräbnis von der Stange“, das es vor 100 Jahren gegeben hat und wo man in erste Klasse, zweite Klasse, dritte Klasse aufgeteilt hat, gibt es bei uns fast nicht mehr.

Das hat aus unserer Sicht mit Klimaschutz nicht so viel zu tun

Dr. Florian Keusch, Pressesprecher Bestattung Wien

sprint: Preis, Aussehen, Nachhaltigkeit: Worauf schauen Ihre Kunden am meisten?

Keusch: Wir haben natürlich einen großen Anteil, der auf den Preis schaut. Deswegen haben wir auch die Baba-Bestattung als Marke der Bestattung Wien ins Leben gerufen, die die günstigsten Preise in ganz Wien anbietet. Da bekommt man fertige Pakete, wie zum Beispiel Urnen zum Mit-Nachhause-Nehmen, und dafür ist es extrem günstig. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die sagen, dass das Begräbnis etwas kosten darf, nachher aber keine zusätzliche Arbeit mit Grabpflege erfordern soll. Das heißt, man spart sich den Gärtner und den Grabstein und den ganzen Teil, sich darum zu kümmern. Weil bei Waldfriedhof und co. keine Grabpflege anfällt, sind das oft diejenigen, die sagen: „Ich nehme eine Naturbestattung“.

sprint: Inwiefern spielt Nachhaltigkeit bei der Auswahl eine Rolle?

Nachhaltigkeit ist schon ein Thema. Aber gerade beim Begräbnis sehen die Leute nicht, dass man noch nachhaltiger sein könnte. Ich glaube, das muss noch ein bisschen setzen. Wir bemühen uns, über den Pilzsarg hinausgehend, die Bestattung grüner zu machen. Die große Nachfrage sehen wir noch nicht. Naturnahe Gräber sind eher die, die aus persönlichen Gründen gewählt werden. Zum Beispiel, wenn man sagt, man will als letzte Ruhestätte noch näher bei der Natur sein oder in der Natur liegen. Das hat aus unserer Sicht mit Klimaschutz nicht so viel zu tun.

sprint: Wird sich der Pilzsarg  durchsetzen oder ist das nur ein Trend?

Keusch: Dass er sich als Standardmodell durchsetzen wird glaube ich nicht – Dazu ist er zu speziell und nicht besonders günstig. Ein Pilzsarg kostet um die 1000€. Es gibt aber Fichtenholzsärge, die ca. 550€ kosten. Das ist natürlich ein Thema, gerade jetzt, in Zeiten der Teuerung. Was Bestattungsformen angeht: Der Trend geht eigentlich zur Urne. In den westlichen Bundesländern sind teilweise 90% der Bestattungen Feuerbestattungen. In Wien haben wir mittlerweile 37%, vor 10 Jahren waren es noch knapp unter 30. Die Urnenbeisetzung ist derzeit das Beliebteste und wird auch immer beliebter. Noch ist in Wien die Erdbestattung bevorzugt, jedoch sieht man zum Beispiel in Deutschland, dass die Urnenbestattungen zunehmen.

sprint: Warum werden Urnenbestattungen immer populärer? 

Keusch: Meine Vermutung ist, dass es in den westlichen Bundesländern ein Platzproblem gibt. Dort sind oft sehr kleine Friedhöfe, die relativ voll sind. Man kann sich vorstellen, dass eine Urne weit weniger Platz braucht als ein nicht kremierter Verstorbener. Dadurch sinken auch die Kosten. Denn wenn in ein Urnengrab sechs Urnen reinpassen und dieses Grab so groß wie ein halbes normales Erdgrab ist, ist das natürlich günstiger. Ich glaube, das ist einer der Hauptgründe, warum immer mehr Menschen neben Naturbestattungen in Richtung Urne gehen.

Related Articles

Cookie-Settings

We use necessary cookies to make our website work and are installed automatically. They enable security, accessibility and network management. As we want to improve your experience with our website, we would like to set functional, analytical and social media cookies which measure how you use our site and enable more personalized content, and provide social media features. Therefore we share information about your use of our website with our partners. They may combine this information with other data that you have provided to them or that they have collected as part of your use of the services. Some of our partner services are located in the USA, which is regarded by the European Court of Justice as a country without an adequate level of data protection. There is a possibility and risk that your personal data will be processed by US authorities for control and surveillance, leaving you without effective remedies against it. With you clicking on „Accept all cookies“, you agree that cookies on our website can be used by us as well as third party providers (also in the USA) and that data can be transferred (Art 49. GDPR) unless other suitable guarantees are exceptionally not available. Your consent is voluntary and can be revoked at any time. You can configure cookies under settings.

Detailed information can be found in our Privacy Statement – Cookies.